Bärenkind 2007 – Warum Tobias Wolbers linke Hand ihn an der Welt teilhaben lässt
Hausacher Bärenkinder (5): Zum 20. Mal stehen in diesem Jahr zwei „Bärenkinder“ im Fokus des Bärenadvents. Wie geht es eigentlich den ehemaligen „Bärenkindern“? Heute: Tobias Wolber.
Eigentlich ist Tobias Wolber Rechtshänder. Seine rechte Hand ist aber für immer verschlossen und lässt sich nicht mehr öffnen. Es ist die linke Hand, die ihn mit der Welt verbindet. Mit der richtigen und mit der virtuellen. Mit seiner linken Hand und der Computermaus taucht Tobias Wolber in seine Spielewelt ein. Am liebsten spielt er Rollenspiele wie etwa die „Persona“-Reihe des japanischen Spieleentwicklers Atlus. Und er freut sich auf jedes neue Spiel, das sich mit der Maus spielen lässt – einen Joystick kann er nicht bedienen.
Mit der linken Hand sucht er sich bei Streamingdiensten seine Filme und sein japanischen Lieblingsserien heraus und klickt sich durch die Nachrichten, was in der Welt da draußen so passiert. Mit ihr steuert er auch seinen Hightech-Rollstuhl und rangiert ihn geschickt aus seinem Zimmer zum Küchentisch im Gutacher Grafenbauernhof. Dort hatten seine Eltern längst die Wohnung barrierefrei gemacht, über einen Treppenlift gelangt er in sein Elternhaus. Nach seiner Schulzeit zog er in ein Wohnheim nach Freiburg, kommt aber immer wieder gern mal übers Wochenende heim.
Gute Erinnerungen
„Es ist schön, ihn immer wieder da zu haben und zu sehen, dass es ihm gut geht“, sagt seine Mama Brigitte. Dass sein Vater Hans im August dieses Jahres an Krebs gestorben ist, war ein schwerer Schlag für die Familie. Zum Glück wohnt seine ältere Schwester Jasmin im gleichen Haus. Auch sie freut sich, wenn ihr „kleiner Bruder“ nach Hause kommt und springt gern ein für Hilfeleistungen, die die Mutter allein nicht bewältigen kann.
Tobias war knapp zwölf Jahre alt, als er im Jahr 2007 „Hausacher Bärenkind“ wurde. Und er war wohl der Erste, der das ganz bewusst mit entschieden hat. Bei der Geburt schien mit ihm noch alles in Ordnung. Erst später machten sich die Eltern Sorgen, als er im Kindergarten nicht kletterte und rannte wie die anderen Kinder. Keine Vorsorgeuntersuchung hat seine Mutter ausgelassen.
Unheilbare Erbkrankheit
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Die Bewegungsbeeinträchtigungen wurden immer schlimmer, aber erst mit acht Jahren brachte ein Bluttest die Diagnose: Duchenne-Muskeldystrophie. Eine noch immer unheilbare Erbkrankheit, die vor allem bei Jungen ausbricht, und die die Muskeln am ganzen Körper immer schwächer werden lässt.
An den Bärenadvent hat er noch gute Erinnerungen. Etwa an das Fest damals bei der Erzpoche, als Anne Maier noch lebte und er als neues „Bärenkind“ willkommen geheißen wurde. Und ganz besonders hat ihm gutgetan, dass er danach nicht vergessen wurde. Viel später kamen immer noch Kommunionkinder, die Triker-Freunde um Heiko Uhl oder auch die Bühlersteiner Hexen vorbei, um ihm eine Spende zu bringen. Seine Mutter erzählt ihm immer von den aktuellen Bärenkindern – zu den Festen oder auch mal zum Weihnachtsmarkt zu gehen, packt er nicht mehr, der Trubel ist ihm zu viel.
Neue Freunde
Mit seinen damaligen Gutacher Freunden hat sich Tobias Wolber auseinandergelebt. Das verwundert nicht, schließlich kam er schon bald ins Internat nach Emmendingen-Wasser und gleich anschließend in das Freiburger Wohnheim. Dort fühlt sich Tobias Wolber sehr wohl. Er hat sein eigenes Zimmer, kann sich so ein Stück Selbstständigkeit bewahren – und trotzdem ist für eine 24-Stunden-Betreuung gesorgt.
Tagsüber ist er in einer Fördergruppe, er hat Freunde sowohl unter den Mitbewohnern als auch unter den Pflegern. Tobias Wolber hadert nicht mit seinem Schicksal. Aber er hofft, dass die Muskeln seiner linken Hand noch lange stark genug sind, um ihn mit der Welt zu verbinden.