Cathérine Ott | 2021

Es ist sicher ein besonderer, vielleicht auch etwas exotischer Lebenslauf, aber es ist eben unsere
Geschichte.
Aus beruflichen Gründen verschlug es uns vor über 30 Jahren mit den ersten zwei, unserer
Mädchen nach Baden-Württemberg.
So wurde der Schwarzwald unsere neue Heimat. Hier kamen dann auch die 9 anderen Kinder zur
Welt ( 8 Mädle & 3 Buben).
Nochmal zwei Mädchen, danach unser ältester Sohn, Wiederum zwei Mädchen, darauf folgte dann
unser zweiter Sohn, dem folgte noch ein Mädchen.
Unser zehntes Kind, war dann unser ganz besonderes Kind, unsere Catherine.
Nach Catherine war unser Nachwuchsplan abgeschlossen, so dachten wir, doch wie aus heiterem
Himmel kündigte sich unser 3. Sohn an und kam 2007 zur Welt.
Das Catherine mit einem Chromosomendefekt das Licht der Welt erblicken würde, erfuhren wir in
der 27. Woche.
Man teilte uns mit, das es drei mögliche Chromosomenfehler sein könnten.

  • Trisomie 13 (mit einer 1-Tägigen Lebenserwartung)
  • Trisomie 18 ( mit etwa 1-Wöchigen Lebenserwartung)
  • Trisomie 21 ( Downsyndrom mit etwas anderem Leben, jedoch die Chance älter zu werden
    als die beiden Varianten 13 &18)
    Wieder allem Druck, von Ärzten und Krankenkasse, die uns zur Abtreibung drängten, entschieden
    wir uns für das Kind.
    Fast alle verstanden es nicht, denn in der heutigen Zeit brauche man sich so etwas nicht anzutun.
    Was sicher nicht viele wissen, es ist in Deutschland ohne Konsequenzen möglich, Kinder die nicht
    der Norm entsprechen bis zwei Tage vor der Geburt abzutreiben.
    Es gibt auch heute noch viele Chromosomenfehler, doch bei einer Abtreibungsquote von ca. 95 %
    wurde diesen Kindern die Chance zum Leben genommen.
    Unsere Auffassung teilten auch die der älteren Geschwister, uns Menschen steht es nicht zu, über
    Leben oder Tod zu entscheiden!
    So stand für uns fest, wir bekommen das Kind. Eine Abtreibung kommt nicht in Frage.
    Catherine kam als Frühchen mit Downsyndrom( Trisomie 21), einem Verschluss zwischen Magen
    und Darm und einer Störung im Atemzentrum zur Welt.Sie wurde gleich am zweiten Tag operiert.
    Für den Fall bereiteten wir eine Nottaufe vor, damit wir und die Geschwister Abschied nehmen
    können, sollte sie den Kampf ums überleben verlieren.
    Unser Gedanke war, wenn sie kämpft, kämpfen wir mit. Und sie hat bis heute einen starken
    Lebenswillen, trotzdem es mehrfach ganz knapp ausging, aber ihr Lebenswille war stärker.
    Es war beeindruckend, welche Energie in Ihr steckt, wie sie trotz allem noch lacht.
    Sie hat sich in unsere Herzen geschlichen, wird von uns und allen ihrer Geschwister geliebt.
    Das Paket, das wir mit nach Hause bekamen, war schon groß.
    Mit einem Jahr folgten dann mehrere Bauchspiegelungen, in deren Folge Ihr die Luftröhre beim
    intubieren so verletzt wurde, das sie auf Trinkhalmdurchmesser (ca. 2mm) zusammenwuchs.
    Sie lebte in dem Zustand 2 Monate in Schaukelatmung, bis durch einen Zufall Ihr eine spezielle
    OP- Methode aus den USA in Aussicht gestellt wurde.
    Sie wurde auf Grund, ihres mehr als schlechten Zustandes, mit einem Hubschrauber nach
    Heidelberg verlegt um dort die OP vorzunehmen.
    Aus ihrem Kehlkopfknorpel, der ihr entnommen wurde, formte man eine Spange, die man in die
    Luftröhre implantierte , um sie offen zu halten.Die OP gelang soweit, doch die Luftröhre lies sich
    damit nur ein drittel des normalen offenhalten. Das ist bis heute noch so.
    Der Preis nicht zu ersticken, war dafür hoch. Zwei Monate lag sie im Koma, und da die Zugänge für
    die Medikamente immer wieder zugingen, mussten ständig neue Zugänge gelegt werden. Beim
    legen eines Zentralen Venenkatheders wurde Ihre Herzklappe verletzt, auf der sich ein Thrombus
    gebildet hat.
    Dazu kam noch eine Sepsis, die mit starkem Antibiotika behandelt werden musste.
    Ein operativer Eingriff, zum entfernen, ist wegen des Risikos eines Abganges des Trombusses und
    deren Folge einer Lungenembolie nicht möglich.
    So muss sie damit leben, eine tickende Zeitbombe in sich zu tragen, denn wenn er sich von der
    Herzklappe löst folgt die Lungenembolie und sie hätte den Kampf verloren.
    Aber Ihr Lebenswillen war stark, sie kämpfte und gewann ein weiteres mal.
    Dafür muss sie 24 Stunden beatmet werden teilweise mit Sauerstoff dazu, weil sie es durch die enge
    Luftröhre nicht schafft genügend Sauerstoff aufzunehmen.
    Auch da wieder, der starke Willen und sie hat sich daran gewöhnt, Sie lebt aber in der Angst, das
    der Strom ausfällt, und achtet penibel darauf das die Akku s immer geladen werden.
    So summieren sich die OP inzwischen auf über 50, doch sie kämpft weiter.
    Nachdem sie getauft wurde, und sie eigentlich nur drei Jahre alt werden sollte ( im November wird
    sie 16 Jahre alt ),war unser großer Wunsch , das sie wie Ihre Geschwister konfirmiert wird.
    Im Juli durften wir trotz Corona erleben, wie Catherine zusammen mit Ihren jüngeren Bruder
    konfirmiert wurde.
    Der Alltag gestaltet sich trotz aller schönen Momente, immer schwieriger.
    Der Pflegedienst bricht uns wegen Personalmangel weg und so bleibt sehr viel an uns hängen.
    Wir als Eltern, sind nach den langen Kämpfen und immer parat sein, wenn andere ausfallen, selbst
    angeschlagen.
    So müssen wir immer häufiger ins Hospiz aus weichen, um Entlastung zu haben und ein paar
    Nächte durchschlafen zu können.
    Obwohl es immer, eine schwierige Situation ist, wenn man im Hospiz ankommt, weil es sein kann
    das man dort Kinder antrifft, die im Endstadium Ihre letzten Stunden verbringen, Kinder im Sterben
    liegen oder gerade gestorben sind. Das macht ein jedes mal, sehr betroffen und es verbindet einen
    sofort mit den Eltern.
    Trotzdem sind wir sehr dankbar, das es solche Möglichkeiten gibt, sich Entlastung zu holen!