Bärenkind 2005 – Dank dem Hausacher Bärenadvent ist Céline Kern heute mobil
Hausacher Bärenkinder (2): Zum 20. Mal stehen in diesem Jahr „Bärenkinder“ im Fokus des Hau-sacher Bärenadvents. Wie geht es eigentlich den ehemaligen „Bärenkindern“? Heute: Céline Kern.
Als Céline Kern vor 25 Jahren zur Welt kam, war sie ein winziges Bündel Mensch, wog gerade mal 1070 Gramm und musste die ersten fünf Tage ihres Lebens beatmet werden. Ihre Mutter ließ keine Vorsorgeuntersuchung für ihr Kind aus, und immer hieß es: Céline ist halt ein Frühchen, da geht alles etwas langsamer. Ein Jahr lang glaubte sie daran, dass ihr Sonnenschein gesund ist – erst dann stellten die Ärzte fest, dass der Sauerstoffmangel bei der Geburt zu einer Schädigung des Gehirns geführt hat.
Cerebralparese mit spastischer Diplegie heißt der Fachbegriff für jene Behinderung, die die Bewegungsmuster des Körpers beeinträchtigt. Céline lernte nicht laufen, wie andere Kinder in ihrem Alter, ihre Beine waren spastisch gelähmt. Die nächsten Jahre wurden hart für Mutter und Kind. Tägliche Gymnastik, Fahrten zu Spezialisten nach Graz, nach Stuttgart, nach Freiburg, Villingen und in die Uniklinik Heidelberg, drei mal sechs Wochen Kur in Bad Kreuznach, und noch vor der Aufnahme in die Schule die erste, sehr langwierige Operation an beiden Beinen.
Guter Start im Kindergarten
Schwester Paulitta, die damalige Leiterin des Kindergartens St. Anna. nahm das Mädchen mit drei Jahren in den Kindergarten auf, obwohl es nicht gehen konnte. Sie schuf in ihrer Gruppe eine schützende Atmosphäre für Céline, die noch lange nachwirkte. Ein Zweitklässler, der Céline aus dem Kindergarten kannte, spielte ihren Beschützer, als sie in die Schule kam und für das Herumgeschubse der Kameraden noch zu schwach auf den Beinen war.
Céline war das erste „Bärenkind“, das diese Zeit bewusst miterlebte – ihre beiden Vorgänger waren dazu viel zu klein. Sie war acht Jahre alt und hatte gerade ein Therapiefahrrad bekommen. Heute erinnert sich Céline Kern noch vage an diese Zeit. Ihre Lehrerin Waltraud Jehle hat den Berich, der sie 2005 als neues „Bärenkind“ vorstellte, der Klasse vorgelesen, sodass ihre Klassenkameraden verstanden, warum sie sich anders bewegt als andere und nicht wie sie herumtollen kann.
Weg ins Berufsleben
Céline entwickelte sich zu einem lebenslustigen Teenager, sie machte den Hauptschulabschluss an der Graf-Heinrich-Schule, die Mittlere Reife in der Kaufmännischen Berufsfachschule und begann ihre erste Ausbildung in der Zeller Keramik. Die viel zu schwere körperliche Arbeit war allerdings nicht zu meistern, sie brach die Ausbildung ab und besuchte noch das Berufskolleg Wirtschaft.
Auch die zweite Ausbildungsstelle stand unter keinem guten Stern. Kurz davor musste sie noch einmal operiert werden – die Zeit drängte, da später diese Art von Operation nicht mehr möglich sein würde. Es war keine gute Entscheidung, ihre Kniescheibe zu versetzen. Gleich danach riss durch ihre Spastik die Partellasehne. Zwei Monate durfte sie im Krankenhaus nur auf dem Rücken liegen.
Ganz langsam begann anschließend die Mobilisaton, sie bekam eine Orthese bis zum Oberschenkel und begann mit dem Rollator ihre Gehübungen. Als sie schließlich ihre Ausbildung beginnen konnte, wurde sie schon bald wieder entlassen, weil ihre Vorgesetzten, ihre Ausbildungsstelle, eine Behörde der Öffentlichen Hand, keinerlei Verständnis aufbrachten für ihre Behinderung.
Dritter Anlauf geglückt
Start bei der Caritas
Nun war November, alle Ausbildungsstellen waren besetzt und sie stand mit leeren Händen da. Im Dezember durfte sie ein Praktikum beim Caritasverband Kinzigtal beginnen. Sechs Wochen waren ausgemacht, und schon bevor die Hälfte der Zeit vorbei war, hatte man ihr dort einen Ausbildungsplatz als Kauffrau für Büromangagement angeboten. Glücklich griff die junge Frau zu.
Die abwechslungsreiche Arbeit macht ihr sehr viel Spaß, und sie liebt es, die Bewohner der Pflegeheime, in denen sie eingesetzt ist, um sich zu haben. Vermutlich kann sich kaum eine junge Frau so gut in die alten Menschen hineinversetzen – schließlich weiß sie sehr gut was es heißt, auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen zu sein.
Sie wurde sehr herzlich aufgenommen und kann sich „keinen besseren Arbeitgeber vorstellen“. Sie bekommt dort auch immer die Möglichkeit, zu ihren Therapien zu fahren, nicht immer sind alle Termine abends zu bekommen.
Zweimal in der Woche Physiotherapie, das ist ihr geblieben und wird sie auch ihr Leben lang begleiten. In der Freizeit malt sie sehr gern, im Atelier von Gabi Schuller oder daheim, sie liebt kreative Basteleien und ist gern mit ihren Freunden unterwegs.
Selbstständig mobil
Dass sie selbstständig mobil sein kann, hat sie dem Hausacher Bärenadvent zu verdanken. Ihre Mutter legte das Spendengeld damals zur Seite, um damit den Führerschein und ein Auto finanzieren zu können. Allein der Führerschein hat 5.500 Euro gekostet, weil sie aufgrund ihres Handicaps mehr Fahrstunden brauchte – und es auch gar nicht einfach war, eine Fahrschule mit Automatikauto zu finden. Täglich fährt sie nun mit ihrem schwarzen Automatik-Peugeot mit Schiebetür und Sitzerhöhung zur Arbeit: „Etwas Besseres hätte mir gar nicht passieren können“, strahlt sie.