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Bärenkind 2004 – Mona Bächle ist die Kämpferin geblieben

Bärenkind 2004 – Mona Bächle ist die Kämpferin geblieben

Mona Bächle war das zweite Hausacher „Bärenkind“. Heute ist sie 20 Jahre als und hat gerade in Offenburg ein Studium der Biomechanik begonnen.
Mona Bächle war das zweite Hausacher „Bärenkind“. Heute ist sie 20 Jahre als und hat gerade in Offenburg ein Studium der Biomechanik begonnen. ©Ludwig Bächle
Mona Bächle mit ihren Eltern Tanja und Ludwig, als sie 2004 das zweite Hausacher „Bärenkind“ wurde.
Mona Bächle mit ihren Eltern Tanja und Ludwig, als sie 2004 das zweite Hausacher „Bärenkind“ wurde. ©Claudia Ramsteiner

Hausacher Bärenkinder (1): Zum 20. Mal stehen in diesem Jahr „Bärenkinder“ im Fokus des Hausacher Bärenadvents. Wie geht es eigentlich den ehemaligen „Bärenkindern“? Heute: Mona Bächle.

Als „tapfere kleine Schwarzwälderin“ hat sie das Offenburger Tageblatt damals bezeichnet. Mona Bächle kam ohne Beine zur Welt und wurde 2004 das zweite Hausacher „Bärenkind“. Nach dem ersten Schock waren ihre Eltern Tanja und Ludwig Bächle zunächst froh, dass ihr erstes Kind keine weiteren Behinderungen hatte. Heute ist Mona Bächle 20 Jahre alt – und die Kämpferin ist sie geblieben.

Am 1. Oktober begann ihr Studium an der Hochschule Offenburg. Mona Bächle hatte sich schon lange vor dem Abitur am Robert-Gerwig-Gymnasium mit ihrer beruflichen Zukunft befasst und kam über Medizintechnik und Orthobionik schließlich zu dem neuen Studiengang Biomechanik, der bundesweit nur zweimal angeboten wird. Sie entschied sich für Offenburg und kann somit weiterhin daheim wohnen.

Unnötige Bürokratie

„Das ist ein interdisziplinärer Studiengang, der die Ingenieurswissenschaft mit der Medizin verknüpft, welches die Belastung und Beanspruchung des Stütz- und Bewegungsapparates und deren Reaktion des Gewebes auf mechanische Einflüsse behandelt. Dies gewinnt immer mehr an Bedeutung in der Medizintechnik, der Rehabilitationstechnik und der Sportwissenschaft“, erklärt die junge Studentin. Möglicherweise kann sie so später in ihrem Beruf Menschen helfen, die mit einem Handicap wie sie ihr Leben meistern müssen.

Vor allem für den Weg zur Hochschule und zurück braucht die junge Frau eine Studienassistenz. Das war früher schon in der Grundschule und im Gymnasium so. Und die muss nicht nur einmal beantragt werden – sondern der Antrag muss jedes Jahr aufs Neue fristgerecht verlängert werden. Als ob die Möglichkeit bestünde, dass sich ihre Behinderung plötzlich in Luft auflöst.

Große Hürde Bahnhof

Und es ist gar nicht einfach, überhaupt jemanden zu finden. Besonders wählerisch kann man da nicht sein, ob die Chemie auch stimmt. „Ich hatte aber Glück, das passt ganz gut“, sagt sie. In Hausach kommt noch dazu, dass nicht nur die Chemie stimmen muss – sondern dass die Helferin auch über eine gewisse Kraft und Kondition verfügen muss. Bekanntlich ist der Hausacher Bahnhof alles andere als barrierefrei. Mona Bächle versucht zwar, nur Züge zu nehmen, die in Hausach auf Gleis eins wegfahren und ankommen, aber das klappt nicht immer.

Manchmal plant auch die Bahn ganz kurzfristig um, und ein Zug steht statt auf Gleis eins plötzlich auf Gleis zwei oder drei. Dann „fährt“ ihre Begleiterin den Rollstuhl samt Mona einmal über die steile Treppe hinunter und auf der anderen Seite wieder hoch. Ein Kraftakt für die eine und eine Vertrauensprobe für die andere.

„Spitzenmäßige Inklusion“

Die Schulzeit war nicht immer leicht für die Hausacherin. Neben der Begleitung musste noch weit mehr erkämpft werden – sie war fast überall die Erste, für die die Schule zum Hindernislauf wurde. Ein ganz dickes Lob hat Mona Bächle für die Stadtkapelle Hausach: „Dort funktioniert die Inklusion spitzenmäßig“, sagt sie, die vor zwölf Jahren mit dem Querflötenunterricht begonnen hat. „Das machen wir“, habe Dirigent Raphael Janz sofort gesagt. Ob Auftritte oder Ausflüge, alles kein Problem: „Das ist das Beste, was ich je erlebt habe.“
Neben der Musik ist Sport die große Leidenschaft der 20-Jährigen. Schon mit sieben Jahren war sie stolz auf ihr „Seepferdchen“, das sie nach einem Spezial-Schwimmunterricht mit dem ehemaligen Bademeister Horst Ukat geschafft hat. Sie schwimmt noch heute und probiert gern auch ungewöhnliche Sportarten aus. Wie beim Schwimmen sind auch beim Klettern die Arme extrem gefordert, um die fehlenden Beine auszugleichen. Im Sommer ist sie in Breisach erstmals Wasserski gefahren – mit Spezialski. Und vor der Pandemie hat sie mit ihren Prothesen mit viel Spaß Standard getanzt bis zum Silberkurs.

Zweimal wöchentlich Physiotherapie

Dies alles sei aber nicht möglich ohne die Unterstützung von Familie und Freunden. „Für Außenstehende sieht es immer so aus, dass ich sehr selbstständig und souverän bin – das bin ich auch, aber nur bis zu einem gewissen Grad, das täuscht sehr – denn durch meine Behinderung habe ich auch einen gewissen Hilfebedarf, oftmals im Verborgenen, welchen noch keine Hilfsmittel abdecken können.

Zweimal Physiotherapie in der Woche, das begleitet sie ihr ganzes Leben, um die Hüftbeuger und -strecker sowie alle erforderlichen Muskeln fit zu halten, damit sie mit ihren Prothesen laufen kann. Weite Strecken sind damit nicht möglich, aber in den Innenräumen kommt sie so ohne Rollstuhl klar. Mit zehn Jahren hatte sie schon ihre zehnten Prothesen. In diesem Jahr wurden wieder neue angepasst. Mona Bächle weiß nicht mehr, die wievielten das sind, „aber die Abstände wurden mit dem langsameren Wachstum deutlich größer“.

„Ich verfluche nichts“

Ob sie ihr Handicap heute noch verflucht? „Ich habe das noch nie verflucht“, sagt die selbstbewusste junge Frau: „Ich kenne nichts anderes, für mich ist das normal – und ändern würde ich damit auch nichts.“ Die „Bärenkinder“ nach ihr waren bei Bächles immer präsent. Ihr Vater Ludwig Bächle ist Hausacher Stadtgärtner und organisiert seither jedes Jahr eine Christbaum-Rücknahmeaktion für das jeweilige „Bärenkind“.

INFO: Mona Bächle ist das zweite Hausacher „Bärenkind“.

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