Thorin Hättich – Mit Mut in die Zukunft
Thorin Hättich aus Ringsheim ist eines der zwei Hausacher „Bärenkinder“, die für ein Jahr im Mittelpunkt vieler Aktionen des „Hausacher Bärenadvents“ stehen.
Thorin Hättich liebt den Kindergarten, er baut gern mit Lego, er macht Musik und am liebsten Quatsch. Und das Größte ist, wenn sein Papa mit ihm Klettern geht. Der fröhliche Bub wird im Februar sechs Jahre alt und lebt mit einem Handicap: Er wurde im Februar 2019 mit einer Gelenksteife und gestörter Muskelentwicklung geboren: AMC.
Für Ramona Hättich war es eine ganz normale Schwangerschaft. Sie hätte am liebsten ambulant entbunden. Und dann kam alles ganz anders. Während der Geburt in der 36. Schwangerschaftswoche waren plötzlich keine Herztöne mehr zu hören, Thorin kam per Notkaiserschnitt zur Welt. Zehn Minuten durfte sie ihren Sohn im Arm halten. Die Beine waren ineinander verwinkelt, die Handgelenke am Arm angelegt, ein sehr schwacher Muskeltonus. Viel schlimmer war aber im Verlauf der ersten Tage: Immer wieder hörte ihr Baby auf zu atmen.
Dann kam schon das Intensivteam aus Freiburg und nahm den kleinen Thorin mit. Auch sie wurde mitverlegt. „Dass Thorin sofort auf die Frühchen-Intensivstation in Freiburg kam, war sein Glück. Die Kinderorthopädin und der Humagenetiker haben die AMC gleich erkannt. Aus Gesprächen mit anderen Familien wissen wir, dass das leider nicht üblich ist“, sagen Ramona und Dominik Hättich. So bekam ihr Thorin schon an seinem zweiten Lebenstag Physiotherapie. Endlich, nach dreieinhalb Wochen, durften sie ihr Kind mit nach Hause nehmen. Und dann ging es auch schon gleich los mit der Gipsbehandlung. Drei Monate lang wurden Thorins Beine wöchentlich neu eingegipst, jedes Mal aus der verwinkelten Stellung ein Stück gerader. Die Physio baute für seine Handgelenke und Finger kleine Handschienen, und die Eltern wurden bald Profis mit den täglichen Übungen. Die erste Operation an den Füßen brachte Thorin schon mit drei Monaten hinter sich. Ein Jahr lang wurden seine Füße an einer Schiene festgemacht. Dazu zweimal in der Woche Physiotherapie und täglich Dehnung aller Gelenke.
Bald haben die Hättichs einen Verein für Arthrogryposis gefunden und lernten andere Familien mit dem gleichen Schicksal kennen. Was sie hier erfuhren, möchten sie selbst auch gern weitergeben, gerade als „Bärenfamilie“: „So eine Behinderung ist herausfordernd. Nie ist der Mensch mit Behinderung das Problem, sondern fehlende Inklusion.“ So viele schöne Momente haben sie mit ihrem Thorin schon erlebt. Etwa die Familienreha, in der sie zum ersten mal alle richtig Zeit füreinander hatten. Und es war ihnen von Anfang an wichtig, dass er alles mitmachen kann, was ihm Spaß macht. Vieles erlebt man intensiver mit so einem besonderen Kind. Etwa, als Thorin mit 15 Monaten das erste Mal aus eigener Kraft auf den Füßen stand. Oder als er es schaffte, einen Löffel Brei selbst zum Mund zu führen – nachdem ihm seine Eltern monatelang dabei geholfen haben.
Mit knapp anderthalb Jahren begann Thorins Behandlung in der orthopädischen Kinderklinik in Aschau am Chiemsee, wo man auch auf AMC spezialisiert ist. Thorin wurde erneut an der Achillessehne operiert – und musste wieder sechs Wochen Gips tragen. Danach bekam er seine ersten Orthesen. Mindestens zweimal im Jahr fahren sie nach Aschau und alle paar Wochen nach Heidelberg, wo der Orthopädietechniker die Orthesen ans Wachstum anpasst. Dreimal pro Woche sind Physio- und Ergotherapie fällig. „Da muss man schon schauen, wie man das mit dem Job auf die Kette kriegt“, sagt Ramona Hättich, die im Qualitätsmanagement einer Medizintechnikfirma arbeitet. Ihr Mann Dominik ist Veranstaltungstechniker im Europapark.
Ihre Familie und ihre Freunde sind eine große Stütze. Cousine Manuela war es, die Thorin als „Bärenkind“ vorschlug, nachdem ihr Mann im OT gelesen hatte, dass noch nach „besonderen Kindern“ gesucht wird. Es war eine große Freude, als ihnen Erwin Moser direkt aus der Vorstandssitzung die frohe Botschaft verkündete. Dass der Hausacher Bärenadvent Kinder mit Handikap „in die Mitte der Gesellschaft holen möchte“ ist genau das, wofür auch sie sich sehr gern einsetzen und wofür sie die Öffentlichkeit nicht scheuen. Noch immer müssen Eltern, die eigentlich ihre ganze Kraft für ihr behindertes Kind bräuchten, diese für sinnlose Kämpfe mit Krankenkassen und Behörden vergeuden. „Vieles muss man Jahr für Jahr von vorn beantragen, ein Jahr lang haben wir darum gekämpft, dass Thorin das „AG“ für „außergewöhnlich gehbehindert“ bekommen hat, erzählt Romina Hättich.
Alle „Bärenfamilien“ haben bisher die Welle der Solidarität, die von diesem Hausacher Bärenadvent ausgeht, als das Wichtigste empfunden. Und doch ist es auch das gesammelte Geld, das ihnen das Leben etwas erleichtert. Für Hättichs steht nicht die eine große Anschaffung an, aber viele kleine Dinge. Im Dezember wird Thorin in Aschau wieder operiert, hintereinander an beiden Beinen. „Jetzt können wir uns ein Einzelzimmer gönnen, damit wir das Zimmer nicht mit drei anderen Familien teilen müssen“, freuen sich die Eltern über die Hilfe. Auch etliche Hilfsmittel werden nicht von den Krankenkassen bezahlt.
Bei jedem Wachstumsschub kann die Versteifung wieder zunehmen. Thorins Füße haben sich wieder verschlechtert, daher die erneute OP. Draußen ist Thorin meist im Rollstuhl unterwegs. In der Nacht trägt er zusätzlich Orthesen bis zum Oberschenkel und Armschienen, die die Versteifung in den Handgelenken leicht aufdehnen. Bei alledem verliert Thorin fast nie seine gute Laune. Das lässt auch die Eltern mit Mut in die Zukunft blicken.
„Der Bärenadvent generiert längst Spenden über die Region und über die Ortenau hinaus. Da ist es nur konsequent, wenn wir uns auch bei der Wahl der ‚Bärenkinder’ öffnen“, sagt Erwin Moser, Vorsitzender des Hausacher Bärenadvents.
Text: Claudia Ramsteiner